Einleitung
Lentizellen sind winzige, aber essenzielle Strukturen auf der Oberfläche von Pflanzen, insbesondere an der Rinde von Bäumen und Sträuchern. Sie ermöglichen den Gasaustausch zwischen dem Inneren der Pflanze und der Umgebung und sind für die Vitalität des Baumes von großer Bedeutung. In diesem Artikel werden die Funktion, der Aufbau und die Bedeutung der Lentizellen ausführlich erklärt.
1. Was sind Lentizellen?
Lentizellen sind kleine, oft gut sichtbare poröse Gewebestrukturen in der Rinde von Gehölzen. Sie treten als korkähnliche, erhabene oder rissige Flecken auf und sorgen für die Belüftung des Bauminneren. Ihr Name stammt vom lateinischen Wort lentus („weich“), da sie im Vergleich zur umliegenden Rinde oft eine weichere Struktur aufweisen.
Diese Öffnungen sind lebensnotwendig, da Bäume eine wasserundurchlässige Borke besitzen, die den inneren Gasaustausch verhindern würde. Durch die Lentizellen kann Sauerstoff eindringen und Kohlendioxid sowie andere Gase entweichen, was für viele physiologische Prozesse wichtig ist.
2. Aufbau der Lentizellen
Lentizellen bestehen aus speziellen, locker angeordneten Zellen, die als Füllzellen oder Lenticellenparenchym bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich vom dichten, kompakten Korkgewebe der restlichen Rinde. Ihr Hauptmerkmal ist eine hohe Porosität, die den Gasaustausch erleichtert.
Schichten einer Lentizelle
- Epidermis (äußere Zellschicht): Bei jungen Trieben ist die Epidermis oft noch intakt und schützt die darunterliegenden Gewebe.
- Suberinhaltige Schicht: Lentizellen bestehen aus Zellen, die mit Suberin imprägniert sein können, wodurch sie teilweise wasserdicht werden.
- Lenticellenparenchym: Ein locker strukturiertes Gewebe mit zahlreichen Interzellularräumen, die den Gasaustausch ermöglichen.
- Bast- und Kambiumzellen: Im Inneren schließen sich Kambium und Phloem (Bastgewebe) an, die die physiologische Verbindung mit den übrigen Baumgeweben gewährleisten.
3. Funktion und Bedeutung von Lentizellen
Die Hauptaufgabe der Lentizellen ist die Regulierung des Gasaustauschs zwischen dem Baumgewebe und der Atmosphäre. Während bei krautigen Pflanzen die Spaltöffnungen (Stomata) für diesen Prozess verantwortlich sind, übernehmen Lentizellen diese Aufgabe bei Gehölzen.
Wichtige Funktionen:
- Gasaustausch: Sie ermöglichen die Aufnahme von Sauerstoff und die Abgabe von Kohlendioxid, insbesondere für die Atmung der inneren Gewebe.
- Wasserhaushalt: Einige Lentizellen können bei hoher Luftfeuchtigkeit Wasser abgeben, was als Lentizellen-Transpiration bezeichnet wird.
- Anpassung an Umwelteinflüsse: Je nach Standortbedingungen variieren Größe, Dichte und Verteilung der Lentizellen, was den Baum vor extremen Bedingungen schützt.
Lentizellen sind besonders wichtig für die Wurzeln von Pflanzen, die im Wasser oder in feuchten Böden wachsen, da sie den Sauerstofftransport ermöglichen. Beispiele sind die Schwarzerle (Alnus glutinosa) oder der Mangrovenbaum, die spezielle Lentizellen für die Anpassung an sumpfige Umgebungen entwickelt haben.

4. Erscheinungsbild und Bestimmung der Lentizellen
Lentizellen sind oft gut mit bloßem Auge erkennbar. Je nach Baumart unterscheiden sie sich in Form, Farbe und Struktur. Einige Bäume besitzen besonders auffällige Lentizellen, die zur Bestimmung der Art herangezogen werden können.
Beispiele für unterschiedliche Lentizellen-Typen:
- Birke (Betula): Große, waagerechte, helle Lentizellen, die sich gut vom weißen Hintergrund der Rinde abheben.
- Eberesche (Sorbus aucuparia): Kleine, dunkle Lentizellen, die als feine Punkte erscheinen.
- Pappel (Populus): Gut sichtbare, längliche Lentizellen, die teilweise aufbrechen können.
- Kirsche (Prunus avium): Markante, waagerechte Lentizellen, die rötlich gefärbt sein können.
Die Form und Verteilung der Lentizellen sind nicht nur für Botaniker, sondern auch für Baumpfleger und Förster ein hilfreiches Merkmal zur Identifikation von Baumarten.
5. Entwicklung und Veränderung der Lentizellen
Lentizellen entstehen bereits früh im Leben eines Baumes, oft während der Bildung des ersten Korkgewebes. Ihre Entwicklung wird durch das Kambium gesteuert, das neue Zellen bildet.
Mit zunehmendem Alter verändern sich Lentizellen:
- Bei jungen Trieben sind sie oft noch unauffällig und von einer dünnen Epidermis überzogen.
- Mit dem Dickenwachstum breiten sie sich aus und können sich vergrößern oder sogar in Gruppen auftreten.
- Bei alten Bäumen können Lentizellen durch die Bildung von Korkgewebe teilweise überlagert oder verschlossen werden, wodurch sie ihre Funktion verlieren.
Einige Baumarten, wie die Kirsche oder Birke, behalten jedoch auch im hohen Alter gut erkennbare Lentizellen.
6. Lentizellen und Baumgesundheit
Lentizellen spielen eine Rolle in der Baumpflege und können Hinweise auf Krankheiten oder Umweltbelastungen geben.
Anzeichen für Probleme mit Lentizellen:
- Verstopfte Lentizellen: Umweltverschmutzung oder übermäßige Korkbildung kann Lentizellen verschließen und den Gasaustausch behindern.
- Aufgeplatzte Lentizellen: Plötzliche Wasseraufnahme oder Frost kann dazu führen, dass Lentizellen aufreißen.
- Pilz- und Bakterienbefall: Krankheiten wie Bakterienkrebs (Pseudomonas syringae) können über Lentizellen in den Baum eindringen.
- Schleimfluss (Gummosis): Bei Stress oder Infektionen kann Flüssigkeit aus Lentizellen austreten, was auf eine Erkrankung hinweisen kann.
In der Baumpflege ist es wichtig, die Funktion der Lentizellen zu erhalten. Eine übermäßige Rindenversiegelung (z. B. durch Farbe oder Wundverschlussmittel) kann schädlich sein, da sie den Sauerstoffaustausch blockiert.
Fazit
Lentizellen sind für das Überleben von Bäumen unverzichtbar, da sie den Gasaustausch ermöglichen und eine entscheidende Rolle im Wasserhaushalt spielen. Sie sind ein wichtiges Erkennungsmerkmal für Baumarten, variieren je nach Umweltbedingungen und können Hinweise auf die Gesundheit des Baumes geben. Wer sich mit Bäumen beschäftigt, sollte Lentizellen nicht nur als einfache Rindenmerkmale sehen, sondern als essenzielle Strukturen für das Wohlbefinden und die Vitalität der Gehölze.