1. Allgemeine Informationen
Der Kastanienrindenkrebs wird durch den Pilz Cryphonectria parasitica verursacht und ist eine der zerstörerischsten Baumkrankheiten für die Edelkastanie (Castanea sativa). Die Krankheit breitet sich über Sporen aus und infiziert die Rinde, wo sie zum Absterben von Rindengewebe, Rissbildung und schließlich zum Absterben ganzer Äste oder des gesamten Baums führt.
Cryphonectria parasitica stammt ursprünglich aus Asien und wurde im 20. Jahrhundert nach Europa und Nordamerika eingeschleppt. In Nordamerika hat die Krankheit die dort heimische Amerikanische Kastanie (Castanea dentata) fast ausgerottet. In Europa ist die Edelkastanie weniger anfällig, doch starke Infektionen können auch hier große Schäden verursachen.
2. Wirtspflanzen
Der Pilz befällt vor allem Arten der Gattung Castanea, darunter:
- Edelkastanie (Castanea sativa)
- Amerikanische Kastanie (Castanea dentata)
- Chinesische Kastanie (Castanea mollissima)
- Japanische Kastanie (Castanea crenata)
In seltenen Fällen kann Cryphonectria parasitica auch andere Laubbaumarten befallen, insbesondere Eichen (Quercus spp.), allerdings mit weniger gravierenden Schäden.
3. Ursachen und Übertragung
Die Infektion erfolgt durch Sporen, die durch verschiedene Umweltfaktoren verbreitet werden:
✅ Wind und Regen: Die Pilzsporen werden durch Wind oder Regentropfen auf benachbarte Bäume übertragen.
✅ Insekten und Tiere: Sporen können durch Käfer, Vögel oder andere Tiere verbreitet werden.
✅ Verletzungen der Rinde: Der Pilz dringt meist über Wunden ein, die durch Frost, Stürme oder Schnittmaßnahmen entstanden sind.
✅ Befallenes Holz und Werkzeuge: Infizierte Holzprodukte oder nicht desinfizierte Werkzeuge können den Pilz weiterverbreiten.
Der Pilz überwintert in infizierten Rindenbereichen und kann sich im Frühling und Sommer bei feuchtem, warmem Wetter besonders schnell ausbreiten.
4. Symptome
Frühsymptome (erste Infektionsphase)
- Kleine, orangefarbene oder rötliche Läsionen auf der Rinde.
- Rindenrisse in der Nähe der Infektionsstelle.
- Welkende Blätter an betroffenen Ästen, auch wenn sie noch am Baum hängen.
Fortgeschrittene Symptome (Krankheitsverlauf)
- Sonnenartige Rindennekrosen: Eingesenkte, abgestorbene Rindenstellen mit unregelmäßigen Rändern.
- Rissbildung in der Rinde, oft mit Abblättern der äußeren Schicht.
- Gürtelringartige Nekrosen: Umfasst der Pilz den gesamten Stamm, stirbt der obere Baumteil ab.
- Austritt von gelbem bis orangefarbenem Pilzmyzel an Rindenrissen.
- Bildung von Wasserschossen unterhalb der befallenen Bereiche.
Spätstadium (absterbender Baum)
- Der obere Baumteil stirbt vollständig ab.
- Die Rinde reißt großflächig auf, und Pilzfruchtkörper erscheinen auf der Oberfläche.
- Der Baum bildet Nottriebe, die jedoch oft erneut befallen werden.
Ein stark infizierter Baum stirbt meist innerhalb weniger Jahre ab.
5. Diagnose und Verwechslungsmöglichkeiten
🔎 Visuelle Inspektion: Charakteristische Rindenrisse, welkende Blätter und orangefarbene Pilzstrukturen.
🔎 Labordiagnose: Isolierung des Pilzes und Bestätigung durch PCR-Tests.
Verwechslungsmöglichkeiten:
- Frostschäden: Können ebenfalls Rindenrisse verursachen, zeigen aber keine Pilzfruchtkörper.
- Bakterienkrebs (Pseudomonas syringae): Verursacht ähnliche Nekrosen, geht aber mit Gummifluss einher.
- Andere Rindenpilze (z. B. Nectria cinnabarina): Zeigen oft rötliche Sporenlager, die sich farblich unterscheiden.
6. Bekämpfung und Vorbeugung
Chemische Bekämpfung
Es gibt keine zugelassenen Fungizide, die eine Heilung ermöglichen. Bekämpfungsmethoden basieren auf Prävention und biologischen Maßnahmen.
Mechanische Bekämpfung (Schnittmaßnahmen)
✂ Infizierte Äste frühzeitig entfernen (mindestens 30 cm unterhalb der Nekrose schneiden).
✂ Desinfektion der Werkzeuge nach jedem Schnitt (z. B. mit Alkohol oder Kupferlösungen).
✂ Befallenes Holz entfernen und verbrennen, um eine Weiterverbreitung der Sporen zu verhindern.
Biologische Bekämpfung
🌿 Hypovirulente Pilzstämme: In Europa werden weniger aggressive (hypovirulente) Stämme von Cryphonectria parasitica eingesetzt, die den aggressiven Erreger verdrängen.
🌿 Förderung natürlicher Abwehrkräfte: Gesunde Bäume mit starkem Immunsystem sind widerstandsfähiger gegen Infektionen.
Kulturelle Maßnahmen zur Vorbeugung
✅ Widerstandsfähige Kastaniensorten pflanzen (z. B. Castanea mollissima).
✅ Wunden an Bäumen vermeiden, um Infektionswege zu reduzieren.
✅ Keine kranken Holzstücke transportieren, um Sporenverbreitung zu verhindern.
✅ Förderung eines gesunden Baumbestands, da geschwächte Bäume anfälliger sind.
7. Gesetzliche Vorschriften und Meldepflicht
In vielen Ländern ist der Kastanienrindenkrebs meldepflichtig, insbesondere in Regionen mit wirtschaftlich bedeutenden Kastanienbeständen.
- Pflanzenschutzämter setzen häufig Quarantänemaßnahmen ein, um die Ausbreitung zu begrenzen.
- In stark befallenen Gebieten kann das Fällen und Vernichten infizierter Bäume angeordnet werden.
8. Fazit
Kastanienrindenkrebs ist eine schwerwiegende Pilzerkrankung, die vor allem Edelkastanien betrifft. Da es keine chemische Heilung gibt, sind frühzeitige Erkennung, konsequente Schnittmaßnahmen und biologische Bekämpfung die effektivsten Mittel zur Kontrolle der Krankheit.